Kapitel 6
Die ultrahohe Präzision des 9R Spring Drive
Präzision steht bei jeder Grand Seiko Armbanduhr an erster Stelle, und das war schon immer so. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein mechanisches Uhrwerk, ein Quarzwerk oder ein Spring Drive-Kaliber handelt.
Das Team, das für die erste Grand Seiko verantwortlich war, hatte es sich zum Ziel gesetzt, die bestmögliche Uhr zu entwickeln, die es herstellen konnte. In seinem Bestreben, eine perfekte Uhr für den alltäglichen Gebrauch zu schaffen, stand höchste Präzision an erster Stelle.
Nicht weniger ehrgeizig war der Traum, der zu Spring Drive führte: die Entschlossenheit, ein Uhrwerk mit Federantrieb zu schaffen, das die Genauigkeit eines elektronischen Zeitmessers bietet. Rückblickend markierte die Entwicklung von Spring Drive einen Meilenstein in der Geschichte der Uhrmacherei und spielte auch eine wichtige Rolle im Aufstieg von Grand Seiko. Spring Drive ist über zehnmal genauer als eine mechanische Uhr mit herkömmlicher Unruh, doch die Elemente der Spring Drive-Architektur – eine Triebfeder, ein Räderwerk, vollendete Brücken und eine Schwungmasse – wären einem klassisch ausgebildeten Uhrmacher aus einer früheren Epoche vermutlich bestens vertraut.
Bereits vor 9R Spring Drive strebte Grand Seiko bei der Entwicklung seiner Uhren nach Ganggenauigkeit, Ablesbarkeit, Formschönheit und Langlebigkeit. Bei der Konzeption von 9R Spring Drive verfolgte Grand Seiko zusätzlich die Vision einer zukunftsorientierten Form der Uhrmacherei, in der Tradition und Innovation Hand in Hand gehen würden. Diese Vision trug einen gewissen Widerspruch in sich. Ein Uhrwerk, das von einer konventionellen Triebfeder angetrieben wird, dessen Ganggenauigkeit jedoch von einem hochpräzisen IC und einem Quarzoszillator gesteuert wird, repräsentiert die gegensätzlichen Pole des uhrmacherischen Spektrums. Bei der Spring Drive führte jedoch genau diese Kombination zu einem einzigartigen und attraktiven Produkt, das nur durch die Meisterschaft in allen Bereichen der Uhrmacherkunst möglich war.
Die in Spring Drive verwendeten integrierten Schaltkreise und Quarzoszillatoren werden von Seiko Epson intern entwickelt und hergestellt, was eine Herausforderung darstellt. Da es keine Batterie, sondern nur eine Feder gibt, sind diese Komponenten auf einen sparsamen Umgang mit Energie angewiesen. Egal wie genau der Spring Drive-Mechanismus ist, wenn der IC zu rasch Energie verbraucht, besitzt die Uhr nicht die erforderliche Gangreserve, die man von einer Grand Seiko erwartet. Im Kaliber 9R65, dem ersten Spring Drive-Uhrwerk von Grand Seiko, beträgt der Stromverbrauch des IC nur 25nW – ein Prozent dessen, was der Prototyp aus der ersten Entwicklungsphase in den 1980er-Jahren verbrauchte. Dank der 72 Stunden Gangreserve, die dieser IC ermöglicht, konnte das Spring Drive im Jahr 2004 endlich eine Grand Seiko antreiben.
Das Grand Seiko 9R Spring Drive meistert praktisch alle gängigen Herausforderungen, mit denen rein mechanische Uhren konfrontiert sind: ihre Anfälligkeit gegenüber Temperatur-, Lage- und Erschütterungseinflüssen. Darüber hinaus führt bei herkömmlichen mechanischen Uhren eine Änderung des Drehmoments beim Aufziehen der Triebfeder zu Schwankungen in der Amplitude der Unruh, was die Ganggenauigkeit beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu behält Spring Drive seine hohe Ganggenauigkeit über den gesamten Zeitraum der Gangautonomie – 72 Stunden im Falle der 9R65 – bei.
Seit der Entwicklung des Kalibers 9R65 mit einer Ganggenauigkeit von ±15 Sekunden pro Monat wurden noch präzisere 9R Spring Drive-Uhrwerke mit einer Ganggenauigkeit von ±10 Sekunden herausgebracht. Diese waren bisher auf das Kaliber 9R01 aus dem Micro Artist Studio sowie auf speziell angepasste Werke wie 9R15, 9R16 und 9R96 beschränkt.
Ein neuer IC, der für die Uhrwerkserie 9RA entwickelt wurde, die 2020 auf den Markt kam, ermöglicht ebenfalls eine Ganggenauigkeit von ±10 Sekunden pro Monat. Dieser neue IC ist mit einem Temperatursensor ausgestattet und verbraucht mehr Strom als der in 9R65 verwendete IC. Um den höheren Energieverbrauch auszugleichen, wurden ein neuer Schaltkreis entworfen und ein neues Herstellungsverfahren eingeführt. Durch die Unterbringung des IC und eines 90 Tage alten Quarzkristalls in einem einzigen vakuumversiegelten Gehäuse werden Temperaturunterschiede zwischen dem Temperatursensor und dem Quarzoszillator eliminiert, was eine äußerst präzise Temperaturanpassung ermöglicht. Außerdem verhindert diese Konstruktion, dass andere äußere Einflüsse wie statische Elektrizität, Feuchtigkeit oder Licht die Genauigkeit beeinträchtigen.
Diese Bauteile verrichten ihre beeindruckende Leistung weitgehend im Verborgenen, diskret versteckt unter einer fein gearbeiteten Werkbrücke. Bei anderen 9R-Uhrwerken sind das IC und das Quarzkristall vollständig abgedeckt. Eine Uhr mit dem Kaliber 9R Spring Drive zu besitzen und zu tragen bedeutet, die Schönheit und Komplexität zu erleben, die seit langem an traditionellen mechanischen Uhren geschätzt wird – und noch vieles mehr.